Rechtsexperte: «Aufgrund von technischen Dokumenten können Produkte sicher oder unsicher sein»
Technikredaktor, Weiterbildung, Dozierende, Berufsprüfung, Recht, Risikoanalyse, Normen, rechtliche Grundlagen, Produktsicherheit, Haftung, Produkthaftung, mangelhafte Betriebsanleitung, KI, künstliche Intelligenz, Maschinenverordnung, Sicherheitsrecht5 Fragen an Alexander Loistl, Senior Legal Counsel und Risk & Insurance Manager bei der Vetropack Holding AG in Bülach. Mit dem Vorbereitungskurs «Eidg. Berufsprüfung Technikredaktor:in» ist er seit der Gründung (1996/1997) verbunden. Seit dem Jahr 2002 ist er als Referent für das Thema Rechtsgrundlagen verantwortlich.
Hier geht's zur Anmeldung für den Vorbereitungskurs Technikredaktor mit Eidg. Berufsprüfung. Alle Module, so auch das Modul Recht, können individuell als Form einer persönlichen Weiterbildung belegt und abgeschlossen werden.
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Wenn man «technische Redaktion» hört, denkt man vor allem ans Schreiben technischer Texte. Wieso sollen technische Redaktor:innen sich mit rechtlichen Fragen auseinandersetzen?
Aufgrund von technischen Dokumenten können Produkte sicher oder unsicher sein. Das birgt das Risiko behördlicher Sanktionen und Haftungsrisiken. Technische Redaktor:innen sollten daher die rechtlichen Grundlagen der Produktsicherheit und der Produkthaftung kennen und verstehen, um ihre Arbeit entsprechend sorgfältig gestalten und sich und ihr Unternehmen ausreichend schützen zu können. Dazu kommen auch urheberrechtliche Aspekte, die technische Redaktor:innen beachten müssen, um die Rechte an ihren Arbeiten zu kennen und gegebenenfalls absichern zu können.
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Stellen wir uns das unangenehme Ereignis vor: Es passiert ein Unfall an einer Anlage. Es stellt sich heraus, dass die Betriebsanleitung mangelhaft war. Inwiefern ist der technische Redaktor:innen betroffen?
Die technischen Dokumente und insbesondere Betriebsanleitungen sind integrale Bestandteile von Produkten. Sie führen ein in den bestimmungsgemässen Gebrauch eines Produktes und warnen vor Gefahren. Fehlerhafte Betriebsanleitungen führen daher zu fehlerhaften und somit unsicheren Produkten. Bereits das Inverkehrbringen von unsicheren Produkten kann zu behördlichen Sanktionen führen. Resultieren aus dem unsicheren Produkt zudem Schäden an Personen oder Sachen, können Geschädigte von den Herstellern und Inverkehrbringern Schadenersatz verlangen. Fehlerhafte technische Dokumente bergen somit Haftungsrisiken. Und haftbar sind nicht nur Unternehmen, sondern möglicherweise auch die an der Entstehung eines Produktes beteiligen Personen. Durch sorgfältige, an den rechtlichen Risiken ausgerichtete Arbeit schützt eine technische Redaktor:in also nicht nur ihr Unternehmen sondern auch sich selbst.
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Du unterrichtest das Thema Recht für angehende technische Redaktorinnen und -redaktoren. Wie bringst du dieses komplexe und eher theoretische Thema mit Praxisnutzen herüber?
Ich bin seit vielen Jahren in der Ausbildung von Techniker:innen und insbesondere von technischen Redaktor:innen beschäftigt. Hierbei wurde mir bewusst, dass Techniker:innen sowohl methodisch als auch begrifflich anders an juristische Sachverhalte herangehen als Juristen, die sehr stark vom Gesetzestext und seinen Tatbestandsmerkmalen ausgehen. Im Laufe der Zeit habe ich gelernt, hier eine sprachliche Brücke zu schlagen und dadurch die juristischen Probleme für Techniker:innen verständlich zu machen und sie somit in «ihrer Sprache» in die juristische Welt einzuführen. Am Ende ist das für beide Seiten immer wieder ein erfrischendes und befriedigendes Erlebnis. Zudem bin ich als Versicherungs- und Unternehmensjurist seit vielen Jahren mit praktischen Fällen betraut. Mein Unterricht ist daher zu mindestens 80% praktisch und zu höchstens 20% theoretisch geprägt.
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Die Schweiz ist nicht in der EU, übernimmt aber laufend EU-Recht in die eigene Gesetzgebung. Inwiefern gilt in der Schweiz internationales Recht, das für die technische Redaktion relevant ist?
Durch die bilateralen Verträge ist die Schweiz vollumfänglich in das produktbezogene Sicherheitskonzept der Europäischen Union eingebunden. Das betrifft so ziemlich alle Bereiche unseres beruflichen und privaten Lebens. Durch den Abbau von Handelshemmnissen ist es uns auch möglich, Produkte (und sehr viele Dienstleistungen) ohne grosse Hürden in die Europäische Union zu liefern. Das gelingt nur, indem die Schweiz das europäische Sicherheitsrecht autonom übernimmt. Bei Lieferungen in die USA, nach Lateinamerika oder in den asiatischen Raum wird deutlich, wie kompliziert der internationale Handel mit Produkten sein kann, wenn solche Automatismen wie zwischen der Schweiz und der EU nicht bestehen. Durch Freihandelsabkommen gelten jedoch auch in diesen Bereichen rechtliche Rahmenbedingungen, die die Warenlieferungen beeinflussen und die ein exportierendes Unternehmen kennen sollte. In jedem Fall sollten bei der Entwicklung von Produkten und der dazugehörigen technischen Dokumentation die rechtlichen Anforderungen allfälliger Zielmärkte mitberücksichtigt werden.
- Welche sind die rechtlichen Herausforderungen, denen sich technische Redaktor:innen zukünftig stellen müssen?
Die technische Dokumentation wird sich mehr und mehr in den digitalen Bereich verlagern. Auch die Künstliche Intelligenz (KI) wird mehr und mehr Einzug in die Tätigkeit der technischen Redaktion halten. Hierfür sollten technische Redaktor:innen technisch gerüstet sein. Im Zusammenhang mit der Digitalisierung und der Verwendung von KI werden sich in Zukunft auch die rechtlichen Rahmenbedingungen ändern. Wer z.B. trägt die Verantwortung für technische Dokumente, die von KI erstellt worden sind? Der Hersteller des Produktes oder der Hersteller der KI? Welche Rolle spielt hierbei die technische Redaktor:in? Zudem werden sich im europäischen Sicherheitsrecht und in Fragen der Supply-Chain-Sicherheit (Stichworte: neue EU-Maschinenverordnung und EU-Marktüberwachungsverordnung) neue rechtliche Themen ergeben, die Auswirkungen auf die Tätigkeit von technischen Redaktor:innen haben werden. Mit solchen Themen wird sich die technische Redaktion in Zukunft auseinandersetzen müssen, und die technischen Redaktor:innen sollten sowohl technisch als auch juristisch auf diese Änderungen vorbereitet sein.
Zur Person
Alexander Loistl ist Senior Legal Counsel und Risk & Insurance Manager der Vetropack Holding AG, Bülach. Zuvor war er während 20 Jahren bei der Zurich Versicherung und bei der Sulzer Chemtech AG in verschiedenen Funktionen tätig. Nebenher unterrichtet er juristische Themen in verschiedenen Ausbildungseinrichtungen in der Schweiz und ist Inhaber und Geschäftsführer der Alocon GmbH, eines Beratungsunternehmens mit den Schwerpunkten «Recht, Compliance und Risk Management». Er hat langjährige Erfahrung im Bereich des Haftpflicht- und Sicherheitsrechts.
Unterrichtete Themen im Modul R (Recht), Unterthema: rechtliche Grundlagen
- Grundlagen des Haftpflichtrechts
- Persönliche Haftung von technischen Redaktor:innen
- Grundlagen des Schweizer und europäischen Produktsicherheitsrechts (mit Ausblick auf die geänderte Rechtssituation in der Europäischen Union)
- Aspekte des betrieblichen und persönlichen Risk Managements zur Produktehaftpflicht und Produktesicherheit
- Urheberrechtliche Aspekte
- Rechtliche Aspekte der Digitalisierung und der Verwendung von KI